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Ronja Räubertochter

haben wir sie genannt, weil sie im Wald gefunden wurde, angebunden an einen Baum. Wir waren uns einig: Nie haben wir einen Hund in elenderem Zustand gesehen. Ein Skelett mit Fell überzogen, vom Hunger aufgetriebener Wasserbauch, eitrige Liegebeulen und aufgeplatzte Pfotenballen, die Krallen waren so lang, daß sich einige Zehen nach außen drehten und für immer verkrüppelt waren. Wenn Ronja austreten wollte, brauchte sie Hilfe. Man mußte ihr den schweren Hungerbauch, der die Blase überdehnt und nach unten gezogen hat, hochdrücken, damit sich die Blase überhaupt entleeren konnte.

Aber was eine echte Räubertochter ist, läßt sich nicht unterkriegen. „Hauptsache überlebt“, schien ihr Motto zu sein. Sie war, ungeachtet ihrer schlechten Erfahrungen, mit allen Menschen freundlich und aufgeschlossen und vor allem wahnsinnig neugierig. Sie hat sich sofort und unangefochten an die Spitze unseres Rudels gesetzt. Den ganzen Tag war sie guter Dinge. Trotz ihrer kranken Pfoten war sie stets die erste am Zaun, wenn es galt, das Grundstück zu verteidigen oder Besucher zu begrüßen, je nachdem.

Ronja Räubertochter – ein tolles Mädchen
Ronja Räubertochter – ein tolles Mädchen

Diese Hündin war nur äußerlich gebrochen, ihrer Seele konnte keiner was anhaben; eine weise und stolze alte Dame, die uns allen tiefsten Respekt abnötigte.

So hat es uns eigentlich gar nicht gewundert, daß Ronja schneller ein neues Zuhause gefunden hat, als manche junge Schönheit. Und ehrlich gesagt, als sie weg war, haben wir sie alle ein bißchen vermißt.

Nachklapp: Die neue Familie hat Ronja an der Blase operieren lassen. Als sie dadurch zum ersten Mal seit langer Zeit wieder alleine austreten konnte, hat sie gelacht und war noch ein wenig stolzer als sonst.

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