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Milo

Über Kindheit und Jugend dieses schwarzen Schäferhund-Mischlings wissen wir – wie bei den meisten der bei uns gestrandeten Existenzen – nichts. Aber als er im November 1997 zu uns kam muß er eine lange Odyssee hinter sich gebracht haben, dieser alte Haudegen, denn elend hat er ausgesehen, damals. Das Fell zerfleddert, am linken Hinterlauf hinkend, das linke Ohr halb abgerissen und eitrig verkrustet. Mehrere Monate hat es gedauert, bis wir eine nette, junge Familie für ihn erwärmen konnten und sie ihn mitnahmen.

Wir dachten oft an Milo. Äußerlich zwar unscheinbar, hat ihn doch das Leben zu dem gemacht, was er ist; er hat viel erlebt, erduldet, aber auch verarbeitet, nichts bringt ihn so schnell aus der Ruhe, und er weiß genau, was er will. Eine Persönlichkeit, die man nur bei älteren Hunden findet.

Milo
Milo

Dann wurde er im August 1999 ohne Angabe von Gründen zu uns zurückgebracht. Es hieß, der Vermieter werde „so komisch“, ob es an Milo läge, wisse man nicht; man wolle keine Schwierigkeiten, er müsse eben weg, basta.

Man hat uns einfach die Leine mit dem Hund in die Hand gedrückt. Kein Abschied, keine Erklärung. Weder für uns, noch für Milo. Und der war fassungslos: den ganzen Tag stand er im Garten am Tor und bellte und jammerte, schaute angestrengt zwischen den Holzlatten des Tors durch und konnte nicht glauben, daß er sein neues Zuhause verloren hatte.

Zwei Tage später hat er dann begriffen, daß sie nicht zurückkommen werden und ist im Morgengrauen einfach abgehauen. Sofort leiteten wir eine große Suchaktion ein. Die Gegend wurde großflächig abgesucht, aber Milo war wie vom Erdboden verschluckt. Erst spät abends, wurde Milo etwa 12 Kilometer von uns entfernt, völlig erschöpft, in einem Waldstück gefunden. Das Unglaubliche daran: Es waren 12 Kilometer Luftlinie in exakt der Richtung, in der seine ehemalige Familie wohnt. Man hat diese Geschichten von Hunden immer nur gehört – sie zu erleben, macht einen einfach sprachlos.

Fortan wurde Milo einer Sonderbehandlung unterzogen. Alle sprachen mit Engelszungen auf ihn ein, unablässig wurde er in alles miteinbezogen und gestreichelt, gestreichelt... Nach einer Woche hat er dann den Widerstand aufgegeben und uns, stellvertretend für alle Menschen, doch noch einmal eine Chance gegeben.
Anhänglichkeit und Treue haben bei diesem Hund eine Dimension, die wir so bei einem Hund noch nicht erlebt haben. Er stiefelt mit seinem Hinkebein und seinem schief zusammengewachsenen Ohr den lieben langen Tag hinter uns her, wie ein Schatten. Alle Versuche, für ihn eine neue Familie zu finden, schlugen fehl. Scheinbar gibt es nicht viele Menschen, die diese Qualitäten bei einem Hund zu schätzen wissen.

Längst hat Milo sich in unserem Haus-Rudel und in unseren Herzen seinen festen Platz erobert; er braucht keine Angst zu haben, daß er nochmal sein Zuhause verliert.

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