Interview mit Dogge Alfonso (Herbst 2006)

Gestatten Sie mir, dass ich in diesem „Interview“ dem Doggen-Rüden Alfonso Worte in den Mund lege, die er so natürlich niemals sagen würde – schon allein deshalb, weil er taub ist und meine Fragen nicht hören kann.

Gabi fragt:
Alfonso – ich darf Sie Alfie nennen? -, Sie sind nun mit kurzen Unterbrechungen schon seit August 2005 im Tierheim bei den Tierfreunden Niederbayern. Über die Zeit davor ist wenig bekannt. Erzählen Sie uns doch mal über Ihre Vorgeschichte.

Alfonso antwortet:
Tja, also, meine Eltern waren beides gefleckte Doggen. Aus solchen Verbindungen entstehen oft Doggen-Kinder mit genetischen Defekten, weshalb das nur Züchter machen, die ihren Gewinn aufpeppen wollen, weil sich die Gefleckten eben gut verkaufen lassen. Dass dabei gehäuft taube Welpen geboren werden, wird von diesen Züchtern billigend in Kauf genommen.
Ich bin so ein Exemplar: taub und mit blauen Augen, die nicht wirklich funktionstüchtig sind.

Gabi:
Und deshalb, Alfie, gelten Sie als schwer vermittelbar?

Alfie:
Nein. Taube Doggen haben durchaus auch ihre Abnehmer. Abgesehen davon, dass ich zu klein geraten bin und mich die Leute deshalb oft für einen Dogo Argentino halten, was ich nicht bin, liegt bei mir das Problem ganz woanders.

Es liegt schon so lange zurück, dass ich mich nur vage erinnern kann. Auf jeden Fall bekam ich, als ich noch Junghund war, mal ordentlich eine auf den Kopf geknallt. Man hat richtig die Schädeldecke krachen hören. Seitdem habe ich diese Delle auf dem Kopf und kriege das tägliche Leben nicht mehr so richtig geregelt, schon alleine deshalb, weil mir das Lernen so schwer fällt. Ich kann und kann mir einfach nichts merken.

Gabi:
Und das behindert Sie im Zusammenleben mit Menschen?

Alfie:
Na und ob! Es ist ja nicht so, dass es nicht schon verschiedene Leute mit mir versucht hätten. Aber die können mir tausendmal ein Handzeichen-Kommando geben – und, was soll ich sagen? – ich mach das tausendundeinmal doch wieder andersrum. Ehrlich gesagt, ich kanns mir nur schwer merken, aber ich rechne auch damit, dass die Leute irgendwann aufgeben und ich dann machen kann, was ich will.

Gabi:
Da haben wir ja gleich das nächste Thema: Was wollen Sie, Alfie? Was ist Ihnen wichtig im Leben? Gassigehen?

Alfie:
Nö, überhaupt nicht. Im Sommer, na ja, ein bisschen. Aber im Winter überhaupt nicht! Da mag ich gar nicht raus. Es ist kalt, und der Schnee blendet mich.

Gabi:
Was sonst? Spielen?

Alfie:
Also mit Menschen mag ich gerne spielen, oder zumindest das, was ich dafür halte. Menschen mögen das leider nicht so gern, weil ich dann offenbar schlecht lenkbar bin, ich springe und trample rum, dass alles nur so durch die Gegend fliegt.

Gabi:
Spielen mit Hunden?

Alfie:
Sie meinen diese komischen Wesen mit vier Beinen und einem Schwanz? Nö, mit denen mag ich gar nicht spielen. Das kommt wohl daher, dass ich nicht verstehe, was die meinen - und umgekehrt die mich auch nicht verstehen. Man sagt mir „mangelnde Kommunikationsfähigkeit mit Artgenossen“ nach.

Gabi:
Sie sind also nicht wirklich gern mit anderen Hunden zusammen?

Alfie:
Nö, wirklich nicht. Das Problem mit denen ist doch, dass sie ständig versuchen, mir was streitig zu machen: Den Liegeplatz, das Futter, die Streicheleinheiten. Auch wenn die so tun, als würden sie sich nicht interessieren für – sagen wir mal – ein Brotkrümel am Boden: Die wollen den stehlen, und ich muss höllisch schnell sein, dass ich ihn erwische, den Krümel. Notfalls gibt’s für den anderen, der sich in der Nähe des Krümels aufhält, eins auf die Mütze.

Der Effekt liegt doch klar auf der Hand: Wenn ich mich länger in Gesellschaft von Hunden aufhalte, werde ich ganz kribbelig und versuche meine „Ressourcen“ zu sichern. Das funktioniert am besten, wenn ich anderen Hunden den Zugang zur Küche versperre, schon im Vorfeld knurre, wenn sie sich meinem Liegeplatz nähern etc. etc.

Gabi:
Aber dergleichen Übergriffe geschehen nur Hunden gegenüber?

Alfie:
Also wenn Sie mich so direkt fragen: nein. Ich versuch schon gelegentlich auch mal, Menschen zu erklären, dass das, was sie auf dem Teller haben, in Wirklichkeit mein Futter ist. Am leichtesten geht das natürlich bei Kindern.
Als Faustregel könnte man sagen: Je besser es mir geht, um so raffgieriger werde ich. Das liegt wohl an der Delle in meinem Kopf.

Gabi:
Das schränkt den Kreis eventuell für Sie geeigneter Interessenten natürlich drastisch ein. Keine Hunde, keine Kinder etc. etc.

Alfie:
Sehen Sie, ich bin nicht anspruchsvoll. Mein ganzes Leben lang war ich irgendwie isoliert. Auch hier im Tierheim bin ich viel alleine. Das Rudel wäre für mich viel zu anstrengend (und ich für das Rudel auch, ha ha!). Deshalb verbringe ich die meiste Zeit allein, freue mich aber, wenn mal ein Mensch vorbeikommt und mich knuddelt. Ich schlafe viel, auch das wiederum liegt wohl an der Delle in meinem Kopf....
Wenn ich jetzt wieder mal eine Chance bekäme, zu einem Menschen ziehen dürfte, würde ich von Anfang an natürlich versuchen, die „Karten neu zu mischen“, was heißt, ich tu so, als könnte ich nicht alleine bleiben, vielleicht fällt der neue Besitzer ja drauf rein. Das käme ganz auf die Konsequenz des neuen Menschen an, das ist klar.

Gabi:
Es gab ja kürzlich ein junges Paar, das Sie zu sich genommen hat. Die Leute hatten die besten Vorsätze, und trotzdem ging es schief. Warum?

Alfie:
Das bei Uta und Klaus hab ich total vermasselt, das stimmt.
Da war eine Hündin, freundlich und ruhig. Die hab ich irgendwie in die Enge gedrängt. Die Hündin hat sich sehr zurückgezogen, weil sie merkte, dass hund mit mir nicht kommunizieren kann.
Zum anderen war es so, dass ich dort immer verrückter wurde, bin rumgehampelt, egal, wie sehr Uta und Klaus versuchten, mir eine Linie zu geben. Dann kam der unselige Tag, als ich Uta angeknurrt habe, als sie mich am Halsband fassen wollte. Da hat sie wohl Angst vor mir gekriegt. Das wiederum hat mich noch hibbeliger gemacht.
Einige Tage später, als Klaus mich mal am Halsband nehmen wollte, hab ich nach seiner Hand geschnappt. War wohl ein Fehler, ich gebs zu. Aber ich schwöre, ich wollte ihn nur abwehren!

Also hier im Tierheim hab ich so was noch nie gemacht. Da weiss ich sowieso, dass ich das Schlusslicht bin, und dann komm ich gar nicht in die Versuchung, so einen Blödsinn zu machen.

Gabi:
Wie müsste denn ein neues Zuhause für Sie beschaffen sein. Womit kämen Sie denn klar?

Alfie:
Ich hab’s ja schon erwähnt, meine Ansprüche sind nicht groß:
Immer genügend zu essen, das ist klar! Ein warmes Plätzchen, weich, wenn’s geht. Wenn Kinder dort wohnen, bräuchte ich ein Einzelzimmer. Wenn keine Kinder dort sind – um so besser. Hunde dito!

Ich sollte wohl noch erwähnen, dass ich Menschen wirklich sehr gerne mag. Vielleicht versuchts ja noch mal jemand mit mir. Man soll die Hoffnung nie aufgeben, oder?

Gabi:
Die Tierfreunde Niederbayern, bei denen Sie in der Vermittlung sind, würden doch sicher auch Zugeständnisse machen an eventuelle neue Besitzer?

Alfie:
Ja natürlich. Bei Tierfreunde Niederbayern könnte ich auch für immer bleiben, wenn die hier räumlich nicht so beengt wären. In dem kleinen alten Bauernhaus gibt es eben kein Einzelzimmer für mich.
Die Leute hier mögen mich sehr gerne und würden alles tun, wenn ich nochmals eine Chance bekäme:
Sie würden mich an jeden Platz in Europa bringen, würden mein Leben lang (ein paaar Jahre werden's schon noch sein, ha ha!) für sämtliche Kosten aufkommen, etc. etc.

Gabi:
Alfie, ich danke für das Gespräch.

Alfie:
Aber gerne.
Gibt’s jetzt Abendessen???

Wer ihm eine Chance geben möchte, melde sich bitte bei: info@tierfreunde-niederbayern.de