Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Magendrehung des Hundes
Petra Hellweg und Jürgen Zentek,
Quelle:
Kleintierpraxis 50, Heft 10 (2005), Seite 611–620, Verlag M. & H. Schaper (Alfeld/Hannover).
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Am Ende der Seite finden Sie Anmerkungen unserer Leser bzw. von Betroffenen!

Die Magendrehung

Da wir immer wieder mal die traurige Nachricht erhalten müssen, dass ein von uns vermittelter Hund an Magendrehung verstorben ist, möchten wir hier die Informationen, die wir zu diesem Thema über Jahre zusammengetragen haben, gerne mit Ihnen teilen. Vielleicht kann es ja dem einen oder anderen Hund das Leben retten, wenn Sie genauer Bescheid wissen.

Zuallererst: Die einzige Chance, die ein Hund bei Magendrehung hat, ist sofortige und sachkundige tierärztliche Behandlung, in der Regel ein chirurgischer Eingriff. Die Zeit, die bis zur Behandlung vergeht, spielt die wirklich entscheidende Rolle.
Also: Sobald Sie diese Seite zu Ende gelesen haben, sollten Sie folgende Fragen abklären:

Welches ist die nächstgelegene Tierklinik, die ich im "Notfall Magendrehung" mit meinem Hund aufsuchen kann?
Hat diese Klinik siebenmal die Woche und 24 Stunden am Tag Dienst?
Ist man dort auf derartige Notfälle eingerichtet?
Haben die Tierärzte dort entsprechende Ausbildung und Erfahrung?
Wissen sie auch Bescheid über die unabdingbare Nachsorge (48 Stunden nach der OP Ernährung ausschließlich über Infusion, Kontrolle von Herzfunktion und Sauerstoffversorgung, 10 Tage langsam aufbauende Diät)?

Wenn Sie das alles beantwortet haben, schauen Sie sich den Weg zur Klinik an, fahren Sie die Strecke notfalls auch mal ab - so dass Sie die Tierklinik auch in der größten Aufregung sofort und mühelos finden können!
Nicht wenige Hunde haben eine Magendrehung nur deshalb nicht überlebt, weil man zuerst zum falschen Tierarzt gefahren ist, der einen dann weiterschickt, weil er entweder keinen Dienst hat oder sich eine derartige Operation nicht zutraut. Dabei vertun Sie wertvolle Zeit, die Sie in dieser Situation einfach nicht haben!

Die verhängnisvollsten Fehlinformationen sind:

1. Magendrehung kann nur bei vollem Magen passieren - falsch! Auch ein (fast) leerer Magen kann aufgasen.

2. Der Magen verdreht sich nur, wenn der Hund nach dem Fressen rumspringt - falsch! Oft gast der Magen auf und verdreht sich erst dann, weil er im Abdomen mehr Platz braucht.

3. Nur ganz große Hunde können eine Magendrehung haben - falsch! Es betrifft oft auch mittelgroße, vor allem tiefbrüstige Hunde (z.B. Deutsch Kurzhaar).

4. Langes Einweichen des Futters verhindert Magendrehung - ganz falsch! Auf lange eingeweichtem Futter können sich Bakterien bilden, die dann zur Gasbildung im Magen führen.

5. Magendrehung erkennt man am stark aufgetriebenen Leib - falsch! Es hat schon Magendrehungen gegeben, bei denen die Aufgasung über längere Zeit kaum erkennbar war.

6. Nach überstandener Magendrehung-OP ist der Hund wieder völlig hergestellt - falsch! Ebenso wichtig wie eine gelungene Operation ist die Schonung des Magens und Verdauungstrakts über mindestens 10 Tage. In dieser Zeit braucht der Magen Schonung und langsamen Aufbau. Wenn Ihre Klinik das nicht weiß, gehen Sie sofort woanders hin!!!

Auslöser können sein:

1. Stress
2. Stress
3. Stress (ist wirklich die häufigste Ursache!)
4. Gastritis oder sonstige Irritation des Magens
5.
Bewegung nach dem Fressen
6. zu große Futtermengen auf einmal
7. schlechtes/verdorbenes/zu lange eingeweichtes Futter bzw. frisches Brot
8. herabgesetzte Magenmotorik
9. Hemmung der Magenentleerung durch Darmträgheit oder z.B. Medikamente
10. stumpfe Verletzung des Bauches
11. Verletzung der Wirbelsäule oder Einklemmung von Nerven
12. chirurgische Eingriffe und Rekonvaleszenz
13. Bindegewebsschwäche (vor allem bei alten Hunden)

Symptome: Unruhe, Hecheln, Speicheln, Würgen, erfolgloser Versuch zu Erbrechen, Aufblähung, Atemnot, Herzrasen, schwacher Puls, blasse Schleimhäute

Symptome und Verlauf sind aber oft untypisch, u.U. sind also nur einzelne der Symptome feststellbar! Eine Magendrehung hier im Tierheim z. B. äußerte sich nur über zweimaliges Würgen und Durchstrecken des Leibes, die Aufgasung war kaum bemerkbar, der Bauch war auch nicht trommelhart!

Tod tritt ein durch Kreislaufzusammenbruch (der Magen drückt auf Zwerchfell, Lunge und die Bauchvene, wodurch auch die Organe nicht mehr versorgt werden). Der Hund kann aber auch noch nach erfolgreicher Operation sterben, z.B. wenn der Kreislauf nicht mehr mitmacht oder das Gewebe des Magens wegen zu langer Mangeldurchblutung abgestorben ist oder sich die Magenschleimhaut abgelöst hat.

Also: Wenn Sie auch nur den Verdacht haben, es könnte sich um eine Magendrehung handeln, reagieren Sie sofort! Rufen Sie die Tierklinik an und informieren Sie sie, dass Sie mit einer möglichen Magendrehung unterwegs sind, man soll dort schon alles vorbereiten. Keine sonstige Verpflichtung kann so wichtig sein, dass Sie diese erst noch absagen müssten, ehe Sie sich auf den Weg zur Tierklinik machen.

Jede Minute zählt!!!

In der Hoffnung, dass Sie diese Informationen nie brauchen...
Gabi Hesel von Tierfreunde Niederbayern, genannt "die Doggenmama"

 
Steffi Ratzkowsky schreibt

Ich habe nach Einsteins zweiter Magendrehung alle verfügbaren Informationen zusammengesucht, um seine Ernährung zu optimieren. Zu diesem Zweck habe ich mit der Ernährungsberatung der LMU in München telefoniert.
Dort riet man mir, auf ein Futter mit geringem Kalziumgehalt zu achten, da dieses bei der Verdauung als "Puffer" wirkt und sie verlangsamt. Eine lange Verweildauer des Nahrungsbreis im Magen ist nach Magendrehungen aber unerwünscht. Das Futter soll möglichst schnell "durchflutschen", wobei ein hoher Kalziumgehalt hinderlich ist (aus diesem Grund sollten auch nicht viele Knochen gefüttert werden).
Einstein ist (laut LMU), was den täglichen Kalziumbedarf angeht, mit seinem Futter (Happy Dog NaturCroq XXL) deutlich überversorgt. Daraus resultierte der Vorschlag, das Futter zu wechseln. Nach Rücksprache mit der LMU wäre Happy Dog SeniorCroq besser geeignet, da der Kalzium-Gehalt nur bei 0,8% liegt. Der etwas geringere Rohprotein-Gehalt kann durch Gabe von Quark o.ä. ausgeglichen werden.
Weiterhin sollten magendrehungs-gefährdete Hunde möglichst kein Gras, Erde oder Wasser aus Pfützen zu sich nehmen, da die enthaltenen Bakterien den Magen belasten.

Astrid Lindner (www.doggen-rettung.de) schreibt:

Ich habe vor einiger Zeit eine ausführliche Beschreibung zum Thema Magendrehung auf meiner HP ergänzt "Das Leben nach der Magendrehung", denn ich habe immer wieder Anfragen dazu bekommen, und es gab leider auch sehr viele Menschen, die erst froh waren, dass ihr Hund die OP überlebt hat, die dann aber die Geduld verloren haben, als sich langwierige Schwierigkeiten mit der Futteraufnahme danach ergeben haben (leider habe ich meist zu spät davon erfahren, aber es gab nicht wenige Doggen, die deshalb dann - nach erfolgreicher OP - EINGESCHLÄFERT wurden!!!).
Hier war ich auch mal wieder entsetzt, über das Nichtwissen der Tierärzte (ich erwarte von niemandem, dass er alles weiß. Ich erwarte aber, dass man - wenn man das Spezialwissen nicht hat - nicht so tut, als hätte man dies, um nicht unwissend dazustehen und dann - aus Stolz heraus - Entscheidungen trifft, die fatal sein können. Hier erwarte ich, dass dann dazu geraten wird, einen entsprechenden Spezialisten hinzuzuziehen!). Meist haben die Menschen, die ihre Dogge haben dann einschläfern lassen, die Information erhalten, dass der Hund innerhalb von 5 (!!!) Tagen nach der OP wieder in der Lage sein muss, normale Nahrung - ohne anschließende Probleme - zu sich zu nehmen.........
Dies ist natürlich falsch: Es kann im Gegenteil sehr lange dauern, bis der Magen wieder normal funktioniert!