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Kunigundes aufregende Reise in ein neues Leben

Schon eigenartig, wenn ein Tier deinen Weg kreuzt und von einem Teil der großen, anonymen Masse zum Individuum wird, unverwechselbar, mit einem Namen, einer Persönlichkeit und einer Geschichte. Und ehe du dich versiehst, bist du selber Teil dieser Geschichte, hast Einfluss auf das Schicksal dieses Tieres – und trägst Verantwortung.


Eine Frau G. rief uns an und erzählte, daß sie seit Jahren mit Tierschützern in Osteuropa zusammenarbeite. Sie bringe regelmäßig – ganz offiziell mit Einfuhrgenehmigung und behördlichen Stempeln – Hunde vom Osten nach Deutschland. Bei ihrem letzten Besuch in einem Hunde-Auffanglager hätte sie eine Dogge gesehen, die ihr ganz besonders leid tat: Verletzt, krank und zum Gerippe abgemagert harre sie in diesem Lager dem Hungertod. Sie selber hätte ja nun wenig Erfahrung mit großen Hunden, hätte aber gehört, daß es bei den Tierfreunden Niederbayern eine Anlaufstelle für Doggen gebe. Sie fragte also an, ob wir die Dogge übernehmen könnten.

Eine Bestandsaufnahme ergab, daß wir für einen weiteren großen Hund (oder auch nur für einen kleinen) unmöglich mehr Platz hatten, keine Chance. Also sagte ich: „Ja, bringen Sie die Hündin mit!“ Zwei Wochen später sollte ich sie am Frankfurter Flughafen abholen.

Aber es kam alles anders: Alle 42 mitgebrachten Hunde der Frau G. wurden am Flughafen beschlagnahmt. Probleme mit abgelaufenen Papieren, mit dem Amtstierarzt, der von Tierschutz leider andere Vorstellungen hatte und nicht einsehen wollte, daß Tierschutz auch und vor allem für alte oder kranke Tiere wichtig ist. Unter anderem war da ein kleiner Hund, der aufgrund einer Lähmung das Hinterteil mühsam hinter sich herzog. Frau G. hatte gehofft, deutsche Tierärzte würden dem kleinen Kerl helfen können. Weit gefehlt: das erste und einzige, was der deutsche Tierarzt vom Amt für den kleinen Burschen tat, war, ihm die Todesspritze zu geben.

Großer Schreck für uns: Die für uns bestimmte Dogge mit dem Namen Dunja war ja auch ziemlich am Ende, krank, mit Geschwüren und einer schlecht versorgten alten Verletzung. Drohte auch ihr die amtlicherseits angeordnete Tötung? Dunja war in Gefahr!

Da lief eine großangelegte Rettungsaktion für Dunja an. Tierschützer aus allen Himmelsrichtungen setzten sich für Dunja ein: Die veterinärärztliche Dienststelle in Frankfurt, das Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales in Wiesbaden, das Tierhaus am Frankfurter Flughafen, sie alle wurden bombardiert mit Telefonaten und Telefaxen. Fragen, Bitten, Versprechungen, Anträge stellen - nur drohen haben wir uns nicht getraut. Dann – drei Tage später – der erlösende Anruf: Dunja kann abgeholt werden.

Der Rest ist Stoff für eine andere Geschichte: Unser anfänglicher Respekt vor Dunja mit den spitzen Teufelsohren, dem leuchtend roten Geschwür im Auge; warum sie nicht mehr Dunja, sondern Kunigunde heißt; ihr erbärmlicher Gesundheitszustand, ihre zahlreichen Behandlungen und Operationen. Kunigunde ist ein Hund mit schillerndem Verhaltensrepertoire: anfangs war sie mehr Schoßhund, anhänglich und zurückhaltend; dann kam eine Zeit der Rauflust und aggressiven Beißereien, bitterböse Abneigung gegen große, schlanke Männer. Schließlich kam sie zur Ruhe und selbstsicheren Ausgeglichenheit. Aber egal, welches ihrer Gesichter sie uns gezeigt hat, eines war und ist sie immer: etwas ganz Besonderes.

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