zur Übersicht              Home

Dicke Freunde

Wenns mit Menschen so gar nicht klappen will, sucht hund sich oft einen „besten Freund“ aus den eigenen Reihen. Oder einfach so, weil man im Leben einen Kumpel braucht.

Mano und Benny

Die zwei Doggenrüden waren die Lieblinge einer betuchten älteren Dame. Nobles Haus, großer Garten und ein Hausmeister zum Gassigehen, es fehlte ihnen an nichts, außer vielleicht ein bisschen Nestwärme. Da tat es gut, einen Freund zur Seite zu haben, der immer da war.
Der stattliche schwarze Mano war souverän genug, dass die Flegeleien des um drei Jahre jüngeren Benny, gefleckt und ebenfalls stattlich, die Freundschaft nicht wirklich gefährden konnten. Jahrelang waren sie gute Kumpels.
Die Idylle fing an zu bröckeln, als die alte Dame krank und bettlägrig wurde. Der Hausmeister hatte die beiden dann in ein Tierheim zu bringen, das die zwei Burschen in Pension nahm. Die Versorgung dort war nicht schlecht, die monatliche Apanage, die dafür zu entrichten war, auch nicht. Die Tage vergingen, allerdings in dem Zwinger von Mano und Benny wesentlich langsamer als im Rest der Welt - auch eine, leider wenig beachtete Erscheinungsform der Relativitätstheorie. Das Angebot des Tierheims, für die Hunde neue Besitzer zu suchen, lehnte die alte Dame ab, schließlich war sie ja entschlossen, wieder auf die Beine zu kommen.
Daraus wurde aber nichts. Der Alleinerbe hatte schließlich nicht nur ein Millionvermögen am Hals, sondern auch noch den Nachlassposten „2 Hunde“, die zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre in dem Zwinger vergeblich auf die Rückkehr des Hausmeisters gewartet hatten, um sie nach Hause zu holen. Da kam dem Erben natürlich das Angebot eines Doggenzüchters sehr zu paß, dass dieser Benny, den Jüngeren der beiden, der ursprünglich aus seiner Zucht stammte, zurücknehmen wollte, obwohl der kastrierte Rüde für ihn als Züchter wertlos war - gegen Futterkosten. Da diese monatlichen Zahlungen nur halb so hoch sein sollten wie in dem Tierheim, willigte man ein. Benny wurde also eines Tages abtransportiert, und zwar nach Ungarn, wo der Doggenzüchter seine „Produktionsstätte“ hat.
Mano, mittlerweile achteinhalb Jahre alt, wartete nun allein weiter, hauptsächlich auf die Rückkehr seines Kumpels. Monate gingen ins Land, dann kam der Hausmeister und holte Mano ab. Die Fahrt ging aber nicht nach Hause, sondern nach Guntersdorf.

 

Eine Tierschutzbekannte hatte uns von der Geschichte erzählt und uns gleich die Telefonnummer des Erben dazu gegeben. Die Vereinbarungen waren schnell getroffen: Wir übernehmen Mano - ohne weitere Kosten für den Erben. Der Hausmeister brachte uns den Hund und eine Spende, etwa so viel, wie die Hundepension für zwei Monate kassiert hätte. Wir nahmen das Geld dankend an, Bedingung war es natürlich nicht gewesen.
Ehrlich gesagt, freuten wir uns über den Hund noch mehr als über die Spende. Mano, ein weiser, schon ergrauter Gentleman mit tadellosen Umgangsformen gegenüber Mensch und Tier, fügte sich mit Links ins Rudel ein, er saß oft mit unserem Coba auf dem Sofa; Reminiszenzen vergangener Tage mit Kumpel Benny. Er richtete sich häuslich ein und wars zufrieden, Guntersdorf war gut für den alten Mano.

Das Schicksal jedoch wollte es dabei noch nicht bewenden lassen. Karin Burger, seit 25 Jahren landauf, landab bekannte Tierschützerin und Doggenfreundin, verliebte sich in Mano und nahm ihn mit nach Hause. Dort lebt er mit ihr, den Hunden Paul und Pebbles und mehreren Katzen. Karin schreibt: „Ein Danke für den tollsten, anhänglichsten, lustigsten, schmusigsten, bettadäquatesten, fröhlichsten, beeindruckendsten, sozialsten, schönsten, seidenweichsten Doggenrüden der Welt - für meinen Mano! Herzlichst Eure Karin.“

Was aus Benny geworden ist? Alle unsere Versuche, seiner habhaft zu werden, sind bisher gescheitert. Das letzte, was wir in Erfahrung bringen konnten, war, dass der Züchter ihn an einen Gaststättenbetreiber in Ungarn abgegeben hat. Dort, so heißt es, sitzt er tagsüber allein in einem Zwinger, nachts darf er dann raus, um das Grundstück zu bewachen.
Ganz im Gegensatz zu Mano wartet sein alter Kumpel Benny wohl noch immer auf die Rückkehr des Hausmeisters, um ihn nach Hause zu holen.


Dana und Lina

Eine Notgemeinschaft aus gemeinsamen Tagen in einem spanischen Tierheim: Dana ist eine sehr zierliche gefleckte Dogge von empfindsamem Gemüt; schüchtern und ein bisschen ratlos schaut sie in die Welt mit einem blauen und einem kaputten Auge, das durch eine alte abgeheilte Verletzung zerstört ist. So hilf- und wehrlos sie auch ist, war sie doch für die nervlich völlig zerrüttete Lina zur unverzichtbaren Stütze geworden. 
 

Lina ist eine prächtige Presa Canario-Hündin, löwengelb, groß, stämmig, muskulös, breitnackig, optisch durchaus beeindruckend, ein typischer „Listenhund“ eben. Vom Gemüt her war sie allerdings noch viel hilf- und wehrloser als ihre Freundin Dana, vermutlich das einzige Wesen, das jemals gut zu Lina war, und zu der sie in bedingungsloser Abhängigkeit stand.

Als die beiden zu uns kamen, hingen sie mit unsichtbaren Gummibändern aneinander. Wo immer Dana hinging, Lina war dicht neben oder hinter ihr. Was immer Dana vormachte, Lina machte es nach, meist ohne zu wissen, wozu es gut sein sollte. Wenn beispielsweise Dana an die Küchentür kam, um zu spekulieren, ob das gekochte Rehfleisch schon fertig geschnitten und somit das Abendessen in Bälde zu erwarten wäre, stand Lina natürlich neben ihr und schaute in die Küche. Von dem dampfenden Rehfleisch allerdings bekam sie gar nichts mit, weil ihre Sinne in Wirklichkeit nur auf die Freundin gerichtet waren. Sobald Dana abdrehte, verschwand auch ihr löwengelber Schatten. Wollte man, dass Lina irgendwohin ging, brachte es nicht viel, wenn man sie am Halsband fasste und sie zu ziehen versuchte; ihr Widerstand war mehr als entschlossen. Führte man dagegen die fügsame Dana voraus, kam die andere automatisch hinterher. Als Dana eines Tages zum Tierarzt gebracht werden musste, ließen wir ihre Freundin zu Hause. Diese saß bis zur Rückkehr ihrer Beschützerin zitternd mitten auf dem Hof und richtete sich schon mal auf den Weltuntergang ein. In brenzligen und ganz besonders bedrohlichen Situationen, also zum Beispiel wenn es an der Tür klingelte, versuchte Lina sich hinter Dana zu verbergen, was schon deshalb nicht gelang, weil sie etwa doppelt so breit war wie die Freundin.

Dana und Lina auf dem Sofa - dem sichersten Platz auf der ganzen Welt

Das Verhältnis zwischen den beiden Hündinnen war getragen von Fürsorge, Behutsamkeit, Vertrauen und Vertrautheit. Nie haben wir zwischen ihnen auch nur die leisesten Mißtöne wahrgenommen. Viel Zeit verbrachten sie damit, in der warmen Stube aneinandergekuschelt auf dem Sofa zu liegen, wobei immer Lina es war, die auf Tuchfühlung ging, den Kopf auf Danas Rücken legte, ihr das Fell zärtlich putzte oder sich einfach auf die andere drauflegte, um auch im Schlaf nicht zu verpassen, wenn diese wegging. Beim Füttern leerten sie manchmal zuerst gemeinsam den einen Napf, dann gemeinsam den anderen, wobei die großen Köpfe nur mit Mühe zusammen in die Schüssel passten.

Nur ganz allmählich lockerte sich das Band zwischen den zwei Freundinnen. Immer öfter entschlüpfte Dana Linas symbiotischer Umklammerung und suchte die Nähe von Menschen. Lynn war die Auserkorene, der sie mit anrührender Hartnäckigkeit nachstellte. Sie zeigte deutlich, dass sie nicht für immer und ewig Linas Beschützerin sein wollte, sondern sich selber nach der Geborgenheit einer Mensch-Hund-Beziehung sehnte. Wir hielten es schließlich nicht nur für vertretbar, die beiden zu trennen, sondern auch für durchaus vernünftig.

Lina lebt jetzt bei einem Ehepaar, das nicht nur über solide Erfahrungen im Umgang mit großen Hunden verfügt, sondern vor allem auch das nötige Einfühlungsvermögen für psychisch angeschlagene Hundeseelen hat. Auch dort hat sie einen durchaus effizienten Beschützer; Iwan, ein mächtiger Rottweiler hält schützend die Pfote über sie.

Auch Dana hat ein neues und ganz besonders liebevolles Zuhause gefunden und wird uns in Kürze verlassen.


Danka und Dina

Ebenfalls Spanierinnen sind die beiden schwarzen Doggen Danka und Dina. Auf der Straße aufgegriffen, ist über ihre Vorgeschichte nichts bekannt; offensichtlich jedoch sind sie Mutter und Tochter.

Danka, die Mutter, ist eine zwar schüchterne, aber freundliche und durchaus lenkbare Hündin. Nicht so Töchterlein Dina. Sicher schon zwei oder drei Jahre alt, ist sie dennoch nie erwachsen geworden, hängt an Mamas Rockzipfel und ist praktisch unregierbar - ein 50 Kilo-Welpe also. Sie krabbelt auf Mama rum, setzt sich auf sie drauf, bis die Rippen knacken und Mama keine Luft mehr bekommt. Nimmt man Dina an die Leine, lässt sie sich zu Boden fallen und bewegt sich keinen Zentimeter von der Stelle. An Autofahren ist überhaupt nicht zu denken, wir bringen diesen Maulesel mit Schlappohren nicht mal in die Nähe eines Autos. Da Dina bildschön ist und auch schon ernsthafte Interessenten hat, haben wir jetzt ein Übungsprogramm gestartet. Die ersten Lektionen zur Leinenführigkeit allerdings sahen viel mehr nach einem Rodeo als nach Hundeerziehung aus. Da aber Lynns Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen auch für einen Brahma-Bullen ausreichen würden, hat die gute Dina natürlich keine Chance; erste Erfolge sind bereits errungen. Und schon beginnt Dina, sich dem Einflussbereich der Mutter zu entziehen und sich für die Welt jenseits unseres Zauns zu interessieren. Nicht mehr lange, und sie kann losziehen, um ihr eigenes Leben zu leben.

Mama Danka hat nichts dagegen.


Danka (unten) und Dina


Susi und Schuscha

Die zwei Ungarn-Mädels hatten bisher ihr ganzes Leben zusammen verbracht, und zwar nebeneinander angekettet.

Susi, eine pfiffige und quirlige kleine Hündin, war früher sicher mal bildhübsch gewesen. Jetzt allerdings ist ihr mausgraues Fell wie von Motten zerfressen, ein Streifen entlang dem Rückgrat ist gänzlich ohne Fell, die Haut dort derb und abgestorben. Vielleicht hat sie sich in den Jahren so oft um die eigene Achse gedreht, dass die schwere Kette den Rücken blank geschrubbelt hat.
Freundin Schuscha ist eher pummelig, der Kopf für den tonnenförmigen Körper viel zu klein, das Wesen zurückhaltend und schüchtern.
Susi ist natürlich die Anführerin der beiden, sie sagt, wo’s langgeht, Schuscha lässt sich gern von ihr bevormunden.
Das Grundstück, auf dem die beiden notdürftig untergebracht waren, hatte einige Male den Eigentümer gewechselt, die Hündinnen damit auch, sie waren so was wie lebendes Inventar. Ihren jetzigen Besitzer hatten die zwei Kettenhunde seit drei Jahren nicht mehr gesehen; lediglich der Aufmerksamkeit von Tierfreunden ist es zu verdanken, dass die beiden nicht still und unbemerkt dort verhungert sind.


Das war 7 Jahre lang ihr Leben: Schuscha an der Kette

Über Tierschutzbekannte erfuhr ich von Frau F., einer älteren Dame bei Wiesbaden, die dort ein hübsches Haus, ein großes Grundstück und ein noch größeres Herz für alte und chancenlose Hunde hat. Auf deren Angebot hin, noch einen weiteren alten Hund aufzunehmen, waren wir dreist genug, ihr von Schuscha und Susi zu erzählen. Wir wurden nicht enttäuscht, sie willigte ein, dann gleich beide zu nehmen, vorausgesetzt natürlich, sie würden sich mit ihrem kleinen Hunderudel vertragen.
Der Transport war schnell organisiert. Wir holten die Hündinnen weg von dem Platz, dessen Trostlosigkeit in krassem Gegensatz zur Freundlichkeit der zwei Mädels stand. In dem Moment aber waren sie natürlich schrecklich aufgeregt. Das Fünkchen Hoffnung auf ein besseres Leben, das sie sich offenbar noch irgendwo bewahrt hatten, konnten sie in Nullkommanichts zu flammender Begeisterung entfachen, sie waren kaum zu bändigen, verloren sich dabei gegenseitig aber keinen Moment aus den Augen.
Die zwei Tanjas, Tierschützerinnen aus dem Norden, die bei uns zu Besuch waren, nahmen die beiden auf dem Heimweg mit, um sie bei Frau F. abzuliefern; wir warteten gespannt auf Neuigkeiten aus Wiesbaden, ob es denn auch klappen würde.

Anruf am ersten Tag: Es sieht nicht schlecht aus, aber Schuscha und Susi sind total aufgeregt.
Anruf am zweiten Tag: Schuscha und Susi sind tadellos brav mit den Hunden des Hauses, die bereitwillig die pfiffige Susi als neue Chefin akzeptiert haben.
Anruf am dritten Tag: Die ehemaligen ungarischen Kettenhunde haben nun den geeigneten Platz zum Schlafen gefunden, nämlich in des neuen Frauchens Bett.

Eine Karriere, die wohl nicht anders als steil zu bezeichnen ist.


Susi und Schuscha in Guntersdorf


Zwei Namenlose

„Abdeckerei“ nennt man in Ungarn die gemeindlichen Auffanglager für streunende oder ausgesetzte Haustiere, vor allem Hunde. Noch ist es in diesen Lagern gängige Praxis, dass dort gestrandete Hunde am 15. Tag ihres Aufenthalts getötet werden. Mittlerweile haben sich jedoch auch in Ungarn Tierschützer zum Widerstand formiert und kämpfen um bessere Unterbringung und um das Leben jener Tiere, deren Zwei-Wochen-Frist abgelaufen ist.

Die Ungarin Gabi Bartfei hatte uns Mitte November 2002 dringend um Hilfe gebeten. Das Lager in einem Budapester Vorort war dermaßen überfüllt, dass die Tötung von etwa 50 Hunden bevorstand, ganz abgesehen davon, dass viele kurzhaarige Käfiginsassen dem sicheren Erfrierungstod harrten.
Nach eiligster Erledigung der nötigen Formalitäten konnten wir mit drei Transporten 30 erwachsene Hunde und 10 Welpen aus Ungarn holen, um sie auf hilfsbereite deutsche Tierheime zu verteilen.
Diese Transporte sind anstrengend, manchmal auch chaotisch. Was sie aber zum absoluten Höllentrip macht, ist der Akt des Auswählens jener Hunde, die mitgenommen werden können, und damit indirekt auch derer, die dort bleiben müssen. Die Kapazität der Fahrzeuge und noch mehr die Aufnahmefähigkeit der deutschen Tierheime sind begrenzt, deshalb muß diese Wahl getroffen werden; irgend jemand muß es tun.


Die Käfige in der „Abdeckerei“ in einem Vorort von Budapest

Bei dem letzten dieser Transporte im Dezember, konnten wir neun Hunde herausholen. Als die Entscheidungen getroffen waren und feststand, welche diesmal die Glücklichen sein sollten, begannen wir, die einen aus den Käfigen zu holen, die anderen von den Ketten abzuhängen und sie einzuladen. Ich war gerade mit einer mittelgroßen, sehr freundlichen Mischlingshündin auf dem Weg zum Auto. Da hielt mich die ungarische Tierschützerin Susanna auf, nahm mir die Leine aus der Hand und führte die Hündin zu einem angeketteten Rüden, der nicht mit auf die Reise gehen sollte. Die beiden Hunde wedelten freudig und stupsten sich vertraut die Nasen. Susanna strich beiden zärtlich über den Kopf und erklärte mir: „Die beiden sind Geschwister; sie werden sich nie wieder sehen.“ Wir führten die Hündin weg, der Bruder schaute ihr nach, bis sie ins Auto geklettert war.

Was hätte ich tun sollen? Einen anderen dafür zurücklassen?(gh)

zur Übersicht "Geschichten aus Guntersdorf"

Home