Doggenzauber
Ich mag alle Hunde -
wer wollte das bestreiten -, und wenn’s einem schlecht geht, groß,
klein, Bub, Mädel, jung, alt, leg ich mich krumm für alle - ohne
Ausnahme. Aber, ich gebs zu, ich habe eine Macke mit den Doggen. Für
mich sind sie einfach was Besonderes, kann ich nicht ändern, aber ich
glaub, für manch andere Leute auch. Folgende Begebenheit habe ich
beobachtet:
Ganz im Süden von
Ungarn, das Grauen für jeden Tierfreund: Auf dem Anwesen des
städtischen Tierfängers in vier Käfigen neun Hunde, die auf die
Todesspritze warten. Wir - ein paar Tierschützer - sind dort
hingefahren, um die Hunde rauszuholen: einen Chow-Chow, zwei
Jack-Russel-Terrier, einen Pinscher-Mix, eine Terrier-Mutter mit ihrem
Welpen, einen Deutsch Kurzhaar-Rüden, einen undefinierbaren Mischling
und eine - na klar - Deutsche Dogge. Man hatte uns erzählt, daß es
dort üblich sei: Die eingefangenen oder abgegebenen Hunde werden nach
etwa drei Wochen eingeschläfert, spätestens dann, wenn alle Käfige
voll sind, um für die nächsten Unglücksraben Platz zu machen.
Die Käfige dort waren so niedrig, daß ein Mensch nur gebückt reinkam,
Stroh als Einstreu, beißender Gestank, aber Futter konnte ich nirgends
entdecken.
Der Tierfänger selber war Stoff für Alpträume: groß,
grobschlächtig, derb im Umgang mit den Tieren - wir konnten uns gut
vorstellen, wie er die Hunde anpackte, wenn keine deutschen
Tierschützer dabei standen. Die Hunde auf alle Fälle hatten bodenlose
Angst vor diesem Typen. Alle, vom 6-Pfund-Pinscher bis zum
50-Kilo-Doggenrüden, drückten sich zitternd ins Stroh, wenn er vor den
Käfigen auftauchte. Sie drehten die Köpfe weg und wagten nicht, ihn
anzuschaun. Sie wußten wohl, daß er auf diesem Anwesen der Herr über
Leben und Tod war.
Wir machten uns also daran, die Hunde aus den Käfigen zu holen, um sie
im Transporter zu verstauen. Wild gestikulierend warnte der Typ uns
davor, die Hunde mit bloßen Händen anzufassen, und holte ein probates
Hilfsmittel, das in keiner Hundefänger-Ausrüstung fehlen darf: ein
etwa ein Meter langes Rohr, durch das ein Strick gezogen war, an einem
Ende eine Schlinge, die man vom anderen Ende aus bequem zuziehen kann.
Er faßte sie tatsächlich nicht an, streifte ihnen nur geschickt die
Schlinge über, die die Hunde, sobald sie sich zugezogen hatte,
natürlich in Panik versetzte. Da half alles Zappeln und Keuchen nichts,
sie waren ihm hilflos ausgeliefert. Irgendwie grenzwertig, diese
Situation, nicht nur für Tierschützer. Vor allem bei dem Chow-Chow
machte der Tierfänger Anstalten, als hätte er einen Grizzly in der
Schlinge, fuchtelte wild herum, wenn jemand auch nur auf Armlänge an
den Hund herankam. Da wurde es mir auch ein bißchen mulmig, was, wenn
das nun wirklich ein bösartiger Hund war? Wie sollten wir diesen
tollwütigen Chow-Chow jemals wieder aus seiner Box holen können.....
Bevor der Typ mit seiner Schlinge die Dogge packen konnte, kroch ich in
den Käfig und holte den großen schwarzen Burschen raus. Vor Angst und
Kälte zitternd, ging er brav an der Leine, wohin ich ihn auch führte,
wohl wissend, daß es von hier aus nur noch bergauf gehen konnte.
Aber da geschah es: Bevor ich die Dogge in den Transporter verfrachten
konnte, kam der Tierfänger auf uns zu, sein Blick war irgendwie ein
bißchen weniger finster. Er streckte die Hand aus, strich dem Rüden
über den Kopf, tätschelte ihm den Hals....
Was hat dieser Hund, daß er einen so abgefahrenen, kaputten Typen wie
diesen Tierfänger anrühren, daß er dieses Herz aus Stein erweichen
kann? Unergründlicher, unfehlbarer Doggenzauber.
Das Ende ist schnell erzählt: Der
Chow entpuppte sich als absolut harmloser, freundlicher Bursche. Und der
kleine Timmi, der Terrier-Welpe, brauchte von Stund an nie wieder
Einstreu zu essen. Woher wir wissen, daß er das getan hatte? Seine „Häufchen“
haben ihn verraten. Die bestanden fast nur aus Stroh.
(gh)
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