Eliz erzählt: Nun ist diese Frau gegangen und hat das Licht ausgemacht. Und ich liege hier in diesem fremden Zimmer bei fremden Leuten in einem fremden Land und kann mal in Ruhe über den heutigen Tag nachdenken - und über mein Leben im allgemeinen. Wenn Sie einen Moment Zeit haben, kann ich Ihnen ja davon erzählen. Mein ganzes Hundeleben - bis
heute früh - hab ich zugebracht in einem Land, wo man Paprika liebt und
Csárdás tanzt. Pferde werden in diesem Land auch geliebt, Hunde leider
weniger; die werden oft nur gebraucht für dies und jenes. Oft dachte ich bei mir - und
ich hatte in den Jahren wirklich viel Zeit zum Nachdenken - also, ich
dachte, es müßte im Leben eines Hundes doch vielleicht noch was
anderes geben als diesen windigen, stinkenden Verschlag, in dem ich
untergebracht war, wundgescheuerte Gelenke von dem harten, dreckigen
Boden, Abfälle in der Futterschüssel und im Winter elend frieren. Und
ich kann mir auch gut vorstellen, daß meine Beine und mein Rücken
nicht so krumm wären, wenn ich manchmal hätte spielen oder rennen
dürfen. Aber nachts machte ich mich
manchmal davon. In den endlosen Weiten der Pußta konnte ich endlich mal
Hund sein und rennen und toben. Und plötzlich waren meine Beine nicht
mehr krumm, sondern lang und gerade, die Gelenke taten überhaupt nicht
mehr weh, mein Bauch war nicht mehr verschrumpelt und ausgeleiert, und
mein schwarzes Fell glänzte in der Sonne wie poliertes Leder. Ich
rannte schneller als die Pußta-Pferde, ja wahrscheinlich sogar
schneller als der Wind. Irgendwann, nach ich weiß
nicht wie vielen Jahren, wollte der Mann dann meine Babies nicht mehr
haben - und mich natürlich auch nicht. Also lieferte er mich in einem
Tierheim ab. Dort war zwar das Essen besser und die Menschen
freundlicher, aber der Boden war genauso hart und die Nächte - es war
gerade Winter - genauso kalt. Ein großer Wagen kam durch’s Tor gefahren. Leute liefen geschäftig herum und entluden alle möglichen Sachen. Schließlich gingen die Fremden an den Zwingern entlang, sprachen freundlich mit den Hunden und kraulten die hoffnungsvoll durch die Gitter nach draußen gestreckten Nasen. Und plötzlich wurde die Zwingertür geöffnet und ich nach draußen geführt. Ich war ganz perplex und wußte
gleich gar nicht, was man denn nun von mir erwartete: sollte ich mich
setzen oder doch lieber stehen, mit dem Schwanz wedeln oder besser mich
ganz ruhig verhalten? Dann kam auch noch eine der fremden Frauen auf
mich zu, kniete sich vor mich hin und sagte: “Ja Mädelchen, wie
schaust denn du aus!?” Die Fahrt, auf die die Frau mich mitnahm, dauerte lang, machte mir aber gar nichts aus. Schließlich hatte ich zwei dicke Decken zum drauf liegen - extra für mich. Wenn wir unterwegs anhielten, um Verschiedenes zu erledigen, paßte ich immer gut auf, die Frau nicht aus den Augen zu verlieren - sicher ist sicher. Als wir dann am abend zu Hause ankamen - ich meine natürlich bei der Frau zu Hause, weil ob ich hierbleiben kann, weiß ich noch nicht -, führte sie mich in ein Zimmer, in dem war es total kuschelig: erstens war geheizt und zweitens durfte ich mich auf eine dicke, weiche Matratze legen. Dann gab’s Abendessen, und zwar - können Sie sich das vorstellen?! - stand die Schüssel nicht am Boden, sondern so in einem Gestell, daß ich mich zum Essen gar nicht bücken mußte; also Sachen gibt‘s auf der Welt, da kannst du nur staunen! Schließlich hat sich die nun schon gar nicht mehr so fremde Frau zu mir auf die Matratze gesetzt und mit mir geredet: Am nächsten Tag würde ich die anderen Hunde im Haus kennenlernen, und es wäre sehr wichtig, daß ich zu denen brav bin. Und sie hat noch viel gesagt, aber ich konnte gar nicht so richtig zuhören, weil ich immer überlegte, wie ich mich am richtigsten verhalten sollte, man will ja in so einer Situation keinen Fehler machen. Nur am Schluß hörte ich sie sagen: “Mach dir keine Sorgen, Eliz, jetzt wird alles gut.” Dann ist sie raus und hat das Licht ausgemacht, und hier liege ich nun, und mein Kopf schwirrt, weil das alles ein bißchen viel war für einen Tag. Aber soll ich Ihnen mal was sagen? Ich glaube dieser Frau: Jetzt wird alles gut. (gh) |