"Eine Frau über 35 läuft eher Gefahr, von einem Tiger gefressen zu werden, als einen Mann zu finden..." Diesen Buchtitel von Serena Gray kann man gut auch auf Tierheimhunde anwenden: "Ein Hund über 17...." Seine Chancen, ein neues Zuhause zu finden, sind als sehr gering einzustufen: Dieser mittelgroße Mischling in Schäferhund-Optik ist stockblind, herzkrank, fast zahnlos und schwerhörig. Sein bisheriges Leben liegt im dunkeln. Was erzählt uns sein abgetrenntes rechtes Ohr oder die dicken Narben um den Hals? Einen Teil seiner – geschätzten - 17 Jahre wird er wohl an einer Kette verbracht haben, die ihm in die Haut eingewachsen war. Aber eigentlich – so ganz genau wollen wir es gar nicht wissen. Seinen Namen – Fielmann – hört er nur, wenn man in ganz bestimmter Tonlage ruft, mit schrillem "i" und vor allem laut. Daß bei dem Wort "Fielmann" er gemeint ist, hat er allerdings rasch kapiert. Mit viel Gebrüll und einem warmen Regen aus Wurst und Hühnerkrägen hat er bald gelernt, daß sich sein Leben nun von Grund auf geändert hatte: Er war jetzt sowas wie ein Familienhund mit eigenem Namen, eigenem Kissen, eigenen Herztabletten und dem Recht auf eigene Streicheleinheiten. Letztere hat er gelernt einzufordern: Er stellt sich mitten ins Zimmer und bellt. Wenn das nicht gleich den gewünschten Erfolg bringt, fängt er an zu knurren. Und ich schwöre, in keinem Ungeheuer-Gruselfilm hat man jemals auch nur annähernd furchterregende Töne gehört. Wenn man gerade telefoniert, fragen die Leute am anderen Ende meist: "Um Himmels willen – was ist denn bei Euch los - ??!!" Sobald er hat, was er will (Ohren kraulen, Rippen klopfen oder in den Arm nehmen), hört er auf zu knurren, grunzt, rudert mit dem Schwanz, hustet noch kurz und legt sich wieder hin. Er ist zufrieden. Stundenlang kann er sich im Garten beschäftigen, dessen Topographie er mittlerweile gut im Kopf hat. Als kürzlich auf unserem Grundstück ein Graben ausgehoben wurde, haben wir diesen allerdings wegen Fielmann gut abgedeckt; er wäre mit Sicherheit hineingeplumpst. Er liebt es, abwechselnd in der Sonne zu sitzen und dann wieder seine Kreise zu ziehen. Dabei ist er von einer ganz besonderen Halsstarrigkeit. Hat er einmal eine Richtung eingeschlagen, kann ihn nichts und niemand umlenken; er weicht zwar aus, kehrt aber immer wieder auf seine Spur zurück. Lynn sagt immer, er "zieht durch den Garten wie ein surrealistisches Gefährt". Er hat sich unglaublich gut bei uns eingefunden. Er findet alles und verpaßt nichts. Dabei hilft ihm seine Nase, die - wohl in Ermangelung der anderen Sinnesorgane - besonders gut funktioniert. Wenn wir Essen austeilen – Fielmann ist schon in der Küche. Wenn es Nachspeise gibt – Fielmann steht schon bereit. Wenn die ganze Truppe unser Abendessen probieren darf: jeder zwei Nudeln mit Käsesahne – Fielmann verdrückt die Nudeln, als hätte er nie was anderes gegessen. Vor allem, wenn es Hühnerkrägen oder Pansen gibt, schnappt er erbarmungslos zu – nicht so schlimm, man kann die Finger zwischen seinen zahnlosen Kiefern unversehrt wieder herausziehen. Natürlich wäre es ein Traum, wenn er noch ein eigenes Plätzchen bekommen könnte mit mehr Streichelzeit, als dies bei uns möglich ist. Aber wie schon gesagt, ein Hund über 17..... Und so bleibt uns nichts, als in den Monaten, die er noch bei uns ist, für ihn zu sorgen und ihn vor Tigern zu beschützen. (gh) |