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Johnny

Nur einmal kurz nicht aufgepaßt - schwupps ist es passiert, und zwei Monate später krabbelte und fiepste es in der Wurfkiste. Die Labrador-Dame eines Bekannten hatte sich - ganz standesgemäß - von einem Jagdhund aus der Nachbarschaft ins Gebüsch zerren lassen. Zwei von den sechs kleinen Knöpfen konnte der Bekannte selber unterbringen, die restlichen vier sollten von den Tierfreunden vermittelt werden.

Kein Problem! - wird der Leser denken, so putzige kleine Racker sollten doch weggehen wie die warmen Semmeln. Nun - ja und nein. Stimmt schon, daß jeder der Kleinen recht schnell einen neuen Wirkungskreis fand. Wir hatten wirklich versucht, die Interessenten sorgfältig auszuwählen und vor allem den Leuten klarzumachen, auf was sie sich da einließen. “Jagdhunde brauchen ERZIEHUNG und BESCHÄFTIGUNG”, haben wir gebetsmühlenhaft wiederholt, haben uns - oft zu zweit gleichzeitig auf zwei Leitungen - den Mund fusselig telefoniert, haben die Leute gewarnt, aufgeklärt, beraten.
Half alles nichts. Ziemlich genau ein Jahr, nachdem die neuen Besitzer strahlend mit den Kleinen abgezogen waren, kamen zwei dieser nun gar nicht mehr Kleinen in unsere Obhut zurück. Warum? Nun, Candy, das Mädchen, konnte die Finger - pardon: Zähne - nicht von Nachbars Hühnern lassen.
Und ihr Bruder Johnny war total verlottert. Er war unsicher im Umgang mit Menschen und Hunden, beherrschte nicht einmal einfache Kommandos; bei ihm war einfach alles versäumt worden. Und wir hatten unsere Liebe Not mit diesem Feger, er war von früh bis spät Sand im Getriebe. Er hätte ein Vielfaches an Aufwand und vor allem Zeit gebraucht, als wir übrig hatten. Und es war nicht einfach, ihn noch einmal zu vermitteln, nicht zuletzt weil er, wenn sich jemand mal näher für ihn interessierte, komisch bis launisch und bockig wurde; hinzu kam, daß er die Leute aus seinen etwas engstehenden Augen ziemlich verdreht anschaute.

Eine junge Frau hat ihn trotzdem mitgenommen, mit Johnny und den besten Vorsätzen eine Hundeschule besucht - nach nur zwei Wochen hat sie das Handtuch geschmissen.
Obwohl er eigentlich ein hübscher, schlaksiger, kaffeebrauner Bursche war, wartete er bei uns monatelang auf seine zweite Chance.

Dann bog eines sonnigen nachmittags auch für diesen Topf der passende Deckel um die Ecke. Ein junges Paar mit ihrer Tochter, einem Mädchen von vielleicht zehn Jahren. Dieses Mädchen sah Johnny, ein Lächeln huschte über ihr Gesicht; schweigend nahm sie ihn an die Leine und ging mit ihm in den Schatten unseres großen Nußbaums. Sie stellte sich vor ihn hin, sah ihn lange ernst an, hob den Finger und sagte “Sitz!” Nun - was soll ich sagen? Er tat es. Und fast schien auch ein Lächeln über sein Gesicht zu huschen. Johnny hatte nur noch Augen für das Mädchen.
Die Familie nahm Johnny mit und wir haben nie wieder Klagen über ihn gehört.
(gh)

Comrades in arms: eine Delegation unserer
Jagdhundabteilung. Johnny (links) mit Sarah

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