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Berlin-Guntersdorf-Marokko

Oft sind Hunde nach ihren furchtbaren Erlebnissen völlig unzugänglich und fast hysterisch nervös. So zum Beispiel Lena: ein schwarzes Doggenmädchen wurde in Berlin auf der Straße ausgesetzt. Niemand weiß, wie lange sie dort sich selbst überlassen war und was sie bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie der Berliner Tierschutzverein aufgriff, alles erlebt hatte. Abgemagert bis auf die Knochen kam sie zu uns nach Guntersdorf. Sie erinnerte uns an alte Filme, die zu schnell abgespult werden. Alles drohte im Chaos zu ertrinken, wenn Lena den Raum betrat. Vor Freude, dass Menschen sich um sie kümmerten, wedelte sie mit dem Schwanz und räumte alle Tische, Kommoden und Fensterbretter ab. Da sie scheinbar noch nie einen gedeckten Tisch gesehen hatte, musste sie alles von der Nähe aus betrachten, wobei sie die Dinge der Einfachheit halber zuerst mal auf den Boden fegte. 
Lenas Freude über ihre neuen Kumpels und die menschliche Zuwendung war so groß, und ihre Liebe zu diesen Menschen ebenfalls, dass sie sich immer ein Pfand mit in den Garten nahm; einmal ein Stück Unterwäsche, das sie wie eine Siegestrophäe im Winde flatternd hinter sich her schleppte, einmal eine Geldbörse, deren Inhalt, Papiergeld, Scheckkarten etc., sie rauschhaft glücklich im Garten verteilte.

Interessenten für sie kamen aus dem Norden angereist. Sie waren von Lena ganz begeistert, war sie doch ein absolut friedlicher Hund, jung, gesund – nur etwas hibbelig halt. Als wir hörten, dass diese Familie in etwa zwei Wochen mit einem großen, zum Wohnmobil umgebauten Jeep und mit den Kindern nach Marokko in Urlaub fahren wollte, waren wir verständlicherweise skeptisch. Aber Lenas Entscheidung war bereits gefallen: „Das ist ab sofort MEINE FAMILIE!“ Eilfertig kletterte sie ins Wohnmobil, und zusammen fuhr man los. Lena gab sich die größte Mühe, alles richtig zu machen. Der lange Weg nach Marokko und überhaupt die ganze Reise verliefen völlig problemlos, als wären sie schon seit Jahren ein eingespieltes Team. Es gab Null Chaos im Wohnmobil. 
Sie hat sogar versucht, eines nachts ihre Familie vor Einbrechern zu warnen, nur konnten die ihr Wuffen nicht richtig deuten. Es hieß: „Pscht! Lena sei ruhig!“ Und am nächsten Morgen mussten sie feststellen, dass im Führerhaus des Wohnmobils eingebrochen worden war. Nie mehr, so versicherten sie uns, würden sie Lenas Wuffen ignorieren.
(lh)

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