Der Bus Heute gibt es mal eine ganz
andere Geschichte. Sie handelt nicht von einem Hund, auch von keinem
anderen Tier, sondern von einem Auto. Natürlich nicht von einem
gewöhnlichen, sondern von einem königlichen Auto. Nun - ganz ohne Hund geht es natürlich auch in dieser Geschichte nicht: Rambo. Ein riesengroßer Doggenrüde, schwarz wie die Nacht. Rambo hatte früher auf den Straßen der polnischen Stadt Rawa Mazowiecka gelebt, sich an den Fenstern sein Futter zusammen gebettelt, im Winter sicherlich elend gefroren. Bis Bozena Wahl Erbarmen hatte und ihn in ihrem Tierheim aufnahm. Dort mußte er noch vier lange Jahre warten, bis es endlich so weit war... Als ich ihn bei Bozena zum
ersten Mal sah, waren noch mindestens 40 andere kleinere Hunde mit ihm
im Zimmer; er saß mittendrin, schaute mich an und wußte, daß sich das
Blatt in seinem Leben nun endlich wenden sollte, daß jemand gekommen
war, ihn zu holen. Ich nahm ihn also mit nach Niederbayern. An diesem
Neujahrstag 1997 begann für ihn erst das, was er unter leben verstand;
und er hatte verdammt viel nachzuholen. Rambos Flitzer Rambo wußte immer, was er
wollte, und vor allem, wie er es kriegen konnte. Kekse zum Beispiel: Mit
erpresserischer Ausdauer verharrte er so lange vor dem Schränkchen, in
dem “seine Kekse” (natürlich “Prinzenrolle” für den König -
in der preisgünstigen Familienpackung) aufbewahrt wurden. Niemals wäre
er ohne sein Schoko-Keks wieder abgezogen - wer waren wir denn, es ihm
zu verweigern?! Aber er übertrieb es auch nicht. Nach einem oder auch
zwei Keksen, je nachdem, wieviel halt nötig war, um seinen
Blutzuckerspiegel auszugleichen, drehte er ab und verließ freiwillig
die Küche. Nun soll aber keineswegs der Eindruck entstehen, Rambo wäre ein blasierter Angeber voller Allüren gewesen. Ganz im Gegenteil, er liebte das pralle Leben in Guntersdorf, wollte immer und überall dabei sein. Wenn es mal notwendig war, die Hunde im Haus zu verwahren - weil zum Beispiel ein Traktor aufs Gelände fuhr oder Landvermesser ihre Geräte aufstellten -, hatte er dafür wenig Verständnis. Klack-klack - machte er die Türen auf, und zwar mit den Zähnen an der Klinke, zog rückwärts gehend die Tür so weit auf, daß er bequem durchgehen konnte - die restliche Meute hinterher, und mit Halali ging’s in Richtung Landvermesser oder Traktor. Rambo I. von Guntersdorf Auch
beim Spazierengehen war sein Motto “Ein Mann muß tun, was er tun muß”.
Bei seinem schon erwähnten Faible für Feldhasen kann sich der Leser
leicht ausmalen, wie das konkret aussah. Dabei schien er mit den Hasen
eine Art Gentleman’s Agreement getroffen zu haben: Er erwischte sie
nicht, dafür liefen sie nicht allzu schnell davon. Einmal lief Rambo
kreuz und quer über ein Feld: Kaum war der eine Hase am Horizont
verschwunden, kam schon der nächste entgegen, also umdrehen und
hinterher und so fort. Ich rannte am Feld entlang, brüllte verzweifelt,
er solle zurückkommen. Er muß mein Gebrüll als Begeisterungsschreie
mißdeutet haben, denn er wandte nur kurz den Kopf, strahlte mich an mit
dem unschuldigsten Lachen und rief zurück: “Hey Alte, hast du auch so
viel Spaß wie ich!? Komm doch her, zu zweit erwischen wir ihn
vielleicht!” Rambo hatte keinerlei Erziehung, die Bedeutung von Worten wie “Sitz”, “Platz” oder “Fuß” blieb ihm zeitlebens verborgen. Aber irgendwie klappte es doch immer. Wenn wir ihn riefen, kam er meistens - nicht aus Gehorsam, sondern vielleicht weil er neugierig war, was wir ihm zu sagen hätten - vielleicht aber auch nur, weil er uns liebte. Ich könnte wohl noch
stundenlang weitererzählen, und es würde mir doch nicht gelingen, den
Zauber dieses Hundes einzufangen. Drum will ich langsam zum Ende kommen. Als es dann so weit war, daß Rambo uns verlassen mußte, machte er seine letzte Fahrt zum Tierfriedhof in diesem großen Auto, das ihn so oft hinausgebracht hatte auf die Wiesen und Felder und das er deshalb so heiß geliebt hatte. Wir haben diesen Bus nun
verkauft an einen Afrikaner. Der wird ihn nach Afrika bringen und ihn
dort noch lange Zeit fahren können - vielleicht als Busch-Taxi im
Zebra-Design in wilder Fahrt die Serengeti durchquerend.
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