Das Rosen-Resli
Mein erster eigener Hund vor
etwa 13 Jahren war eine Irish Setter Hündin - natürlich aus einem
Tierheim. Als ausrangierte Zuchthündin war sie mit ihren sieben Jahren
fix und fertig. Abgemagert bis auf die Knochen, von ihren zahllosen
Welpen ausgemergelt und ängstlich, ängstlich, ängstlich. Wir
verbrachten noch acht schöne Jahre zusammen, und sie hat meine
Leidenschaft für Jagdhunde geweckt. Bei den nicht enden wollenden “Dog
Talk”-Gesprächen mit anderen Tierschützern hab‘ ich halt immer
wieder von dieser Setter-Hündin erzählt, und so kam es, daß eines
Tages eine dieser Tierschutz-Connections sich mit einem Notfall meldete:
Irish Setter-Hündin, Ex-Zuchthündin, wird im Keller in einer
Waschküche gehalten! Die Rettungsaktion ist natürlich sofort
angelaufen, und die Hündin kam zu uns nach Guntersdorf. Aber dann kam leider alles ganz anders, als wir es uns alle für Resi erhofft hatten. Keiner weiß warum, aber plötzlich brach bei ihr eine Krankheit aus und kein Tierarzt wußte, was es war. Sie hatte einfach keinen Appetit, wurde immer schwächer und konnte letztlich alleine gar nicht mehr laufen. Und eines Tages teilte mir der Tierarzt lapidar mit, daß Resi die kommende Nacht nicht überleben würde. Ohne Schmerzen würde sie aufgrund ihrer Schwäche einfach einschlafen - meinte der Tierarzt. Aber Resi lebte am nächsten Morgen noch. Die Tierschützerin, über deren Verbindung ich Resi bekommen hatte, empfahl mir eine Klinik in Simbach am Inn - vielleicht könnten sie helfen. Wir wußten ja noch nicht einmal, was ihr fehlte. Sofort wurde ein Termin vereinbart, und Resi und ich fuhren nach Simbach am Inn. Das Entsetzen bei den Tierärzten war groß. Resi müsse sofort stationär aufgenommen und intensiv-medizinisch versorgt werden, Infusionen etc. Mindestens acht Tage sollte sie dort bleiben. “Niemals lasse ich den Hund hier alleine”, hab ich mich natürlich gleich mit den Tierärzten angelegt. “Dann müssen Sie halt jeden Tag mit dem Hund herkommen und hierbleiben”, war die ärztlicherseits empfohlene Alternative. So haben wir es dann auch gemacht. Jeden Tag machten Resi und ich uns von Guntersdorf aus auf den Weg nach Simbach, mußten früh um 9 Uhr antreten in der Klinik. Bis um 13 Uhr hing Resi dann “am Tropf” und ich an ihrer Pfote. Zwei Stunden Mittagspause verbrachten Resi und ich am Ufer des Inns an einem schattigen Plätzchen. Von 15 bis ca. 18 Uhr dann wieder Infusionen auf der Intensivstation der Klinik, abends wieder nach Hause. In all diesen Stunden ist mir dieser Hund sehr ans Herz gewachsen, sie hat wirklich tapfer gekämpft. Das Lebensbedrohlichste war ihre Schwäche, aber weder Wurst, noch Käse oder Pansen konnte oder wollte sie zu sich nehmen. Eine ganze Woche ging das so. Am Freitag hatte ich zuhause einen unaufschiebbaren Termin, deshalb fuhr ich mittags kurz nach Hause, und Resi blieb an diesem Nachmittag alleine in der Klinik. Gegen Abend rief ich dort an, wie es um sie stünde. Die Auskunft der Tierärztin war vernichtend: Resi hatte Leukämie und es wäre das Beste, sie sofort einzuschläfern, ich bräuchte gar nicht mehr zu kommen. Man kann sich die Staubwolke vorstellen, die sich hinter unserem VW-Bus aufgetürmt hat, als ich so schnell es irgendwie ging nach Simbach am Inn raste. Sie hat mir so leid getan, als ich sie sah: völllig entkräftet lag sie auf ihrer Decke, und sie schien ganz entspannt auf ihren Tod zu warten. Nachdem mir die Tierärztin bestätigte, was ich vermutete, daß Resi nämlich keine Schmerzen hatte, beschloß ich, daß das Letzte was Resi in ihrem bisher zu kurzen und besch... Leben sehen sollte, kein gefliester, unfreundlicher Klinikraum sein sollte. Wenn es denn schon sein mußte, dann sollte sie in Guntersdorf im Kreis ihrer neuen Freunde sterben. “Lange lebt sie ohnehin nicht mehr. Wenn Sie unbedingt meinen, dann nehmen’s die Hündin halt mit. Die kommende Nacht ist sowieso ihre letzte”, baute mich die Tierärztin zum Schluß noch auf. Traurig trat ich mit Resi die Heimreise an. Bei einem Tankstop erregte aus einem unerfindlichen Grund eine kleine Salamistange mein Interesse - nicht für mich selbst, ich bin seit 15 Jahren Vegetarier - nein, irgendwie ist aufgeben nicht mein Ding: ich kaufte sie für Resi. Ungläubig staunend beobachtete ich, wie Resi die Salami verdrückte. Jetzt wurde ich hektisch: so schnell wie möglich heim und zum nächsten Metzger, Salami kaufen! Und zwar in rauhen Mengen! Natürlich nicht die ideale Ernährung für einen Hund, aber bevor sie verhungert, sollte sie haben was immer ihr Herz begehrte. Resi erlebte dann natürlich nicht nur den nächsten Tag, sondern auch noch den übernächsten und den darauffolgenden auch noch. Wie durch ein Wunder, kehrte ihr Appetit zurück. Na ja etwas eigen war sie in ihren Eßgewohnheiten schon: sie verspeiste hauptsächlich grünen Pansen oder gebratenes Huhn und das nicht einfach so aus der Schüssel, nein, per Hand mußte man es ihr vor ihre mahagonifarbene Nase halten, dann konnte sie essen. Sie kam wieder zu Kräften, sie konnte nach einigen Tagen wieder selber gehen und ihre notwendigen Geschäfte alleine verrichten. Ja, und eines Tages hat sie mir glaubhaft versichert, daß sie jetzt unbedingt einen Spaziergang bräuchte. Zuerst nur ganz kurze, dann immer länger bis sie eines Tages eineinhalb Stunden mit meinen beiden anderen Hündinnen und mir durch die Gegend stromerte. Wir alle waren sehr glücklich darüber - aber diese Zeit hat Resi dem Schicksal durch ihre Hartnäckigkeit abgerungen: Sechs Wochen ist es ihr bei uns dann noch so richtig gut gegangen: schlemmen, spazierengehen und in der Sonne dösen. Ihr Tod kam ganz plötzlich, als ob sich irgendwer daran erinnert hätte, daß Resis Zeit eigentlich schon lange abgelaufen war. Sie hat nach all den elenden Jahren als Zuchthündin wenigstens für kurze Zeit erfahren, was für schöne Dinge das Leben für einen Hund eigentlich bereithält. Resi und ich, wir haben gekämpft und leider verloren - oder doch nicht? (lh) Das Rosen-Resli |